"Situations-Plan
von Hannover und Umgebungen de 1728 "
Dieser "Situations-Plan",
dessen Maßstab ungefähr 1 : 10 000 beträgt, ist eine
der ältesten Karten der Umgebung unserer Stadt. Wir wissen nicht,
wer ihn angefertigt hat, und er ist anscheinend auch nicht ganz fertig
geworden. Sollte er als Vorlage für einen Druck dienen?
Die Mitte bilden Alt- und Neustadt Hannover im Schutz ihrer Gräben und
Festungswerke. Vor dem Aegidientor im Süden und dem Steintor im Norden
liegen die Gärten der Bürger wie auch im Nordosten vor dem "Bürgerlich
Holtz, die Eilenrihe genannt". Es sind die Gartengemeinden, aus denen
später die Südstadt, die Nordstadt und die Oststadt entstanden. Beiderseits
der vom Schiffgraben, dem alten Torfkanal aus dem Warmbüchener Moor, durchschnittenen
Eilenriede liegen die heideähnlichen Flächen der "Bischoffshohler
Weyde" und der "Misburger Heyde", und zwischen den Gärten
im Süden ist die Feldfläche des "Bockemahl" ausgespart.
An den Durchgängen der Wege durch die Eilenriede finden wir die alten
Landwehren, den Döhrener Turm, den "Bischoffshohler Ward-Thurm",
den Pferdeturm und am Nordrand den "Listerwardt-Thurm". Auf der Bischofsholer
Weide ist das Rechteck des "Immen-Zauns" abgegrenzt, und westlich
des Döhrener Turms liegt die "Ziegel-Brennerey" des hannoverschen
Magistrats.
Am Nordrand der Karte sehen wir die vier, Dörfer List, Vahrenwald, Hainholz
und Herrenhausen mit dem Beginn des großen Weidgeblets der Mecklenheide,
wo das Reiherholz beim Vollmeierhof Burg großzügig als "Thier-Garte" bezeichnet
ist. Die Anlagen der welfischen Sommerresidenz haben bereits ihre durch Jahrhunderte
bewahrte Form mit Großem Garten, Berggarten, der 1726 von Ernst August
Charbonnier angelegten Lindenallee und der ContreAllee, und östlich der
Allee ist auch das Schlößchen Monbrillant des Reichsgrafen Platen
bereits seit zwei Jahren Eigentum des Landesherrn. Der "Neue Canal" zwischen
den Dörfern Herrenhausen und Limmer, den man zur Wasserversorgung der
Fontänen angelegt hatte, war gerade ein Jahrzehnt alt, und seit acht Jahren
stieg der Silberstrahl der Großen Fontäne in den blauen Himmel der
Herrenhäuser Sommertage. Noch nicht eingezeichnet ist die Windmühle östlich
Limmer, die seit 1719 im Betrieb war.
Zwischen dem Küchengarten des Kurfürsten und dem "Klein-Herrenhausen" des
Reichsgrafen Platen liegt das Bauerndorf Linden westlich der Ihme mit der Windmühle
auf dem "Linder Berg" und der Ziegelhütte als Vorboten der Egestorff-Epoche,
die hier ein Dreivierteljahrhundert später eins der ersten Industriezentren
der Welfenlande entstehen ließ. Der aufmerksame Betrachter wird so manchen
Straßenzug entdecken, der sich bis heute kaum verändert hat, etwa
die längst noch nicht schnurgeraden Landstraßen nach Hildesheim,
Celle oder Nienburg oder die vom "Schwarzen Bären" westlich
der Ihmebrücke ausgehenden Verkehrswege nach Wunstorf, Minden, Hameln
und Göttingen. Das Wiesen- und Waldgelände an Leine und Ihme, Aegidienmasch, "Bürgerliche
Aue" und Ricklinger Aue, diente noch vorwiegend der Viehzucht, durchflossen
von der "Freyfluth" zwischen beiden Flüssen, dem Schnellen Graben
mit seinem Wehr.
Als der "Situations-Plan" entstand, ruhte Hannovers Kurfürst
Georg Ludwig, seit 1714 in Personalunion auch König Georg 1. von Großbritannien
und Irland, erst wenige Monate in der Welfengruft unter der Schloßkirche,
und im fernen London regierte sein Sohn Georg II., der seine niedersächsische
Heimat nur noch selten besuchte. Oberhaupt der Leineresidenz aber war seit
drei Jahren neben seinem Amtskollegen Anton Julius Busmann der Bürgermeister
Christian Ulrich Grupen, durch dessen Wirken das achtzehnte Jahrhundert als "Epoche
Grupens" in die Stadtgeschichte eingehen sollte.
Helmut
Zimmermann
aus : E-H 59 Hannover Archiv Ergänzungsband IV |