Drei
Jahre nach Kriegsende, 1948, im Jahre der Währungsreform,
lag dieser handliche Stadtplan von Hannover vor. Dieser frühe
Falk-Plan war auch schon in der heute noch gebräuchlichen
Weise so gefaltet, daß man alle Punkte in der Stadt darauf
finden konnte, ohne den Plan ganz ausbreiten zu müssen.
Vermutlich hat die im Jahr zuvor erstmals in Hannover abgehaltene
Industriemesse den Bedarf für solch ein Produkt mit geschaffen.
Die Straßenzüge, wie sie dieser Plan zeigt, geben
noch ganz die in mehreren Jahrhunderten gewachsene Grundrißstruktur
der Stadt wieder. Bei näherer Betrachtung des Kartenbildes
und der Zeichenerklärung wird dann aber deutlich, daß wir
Hannover unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vor uns haben.
Die hellziegelrote Tönung, allgemein als kartografische
Farbe für städtische Bebauung verwendet, markiert
hier total zerstörte Gebäude; mit anderen Worten:
die Trümmer- und Ruinenfelder in der Stadt. Es bedarf
schon genaueren Hinsehens, um im Innenstadtbereich kleine Inseln "nurteilzerstörter
oder gar weniger unbeschädigt gebliebener Häuser
zu entdecken.
"Drei
schwere Jahre" hat die städtische Bauverwaltung ihren
Bericht über die Wiederaufbaubemühungen zwischen
dem Kriegsende 1945 und der Währungsreform 1948 genannt.
Auf das gesamte Stadtgeblet gerechnet waren 50 % der Wohnhäuser
zerstört, 44 % waren mehr oder weniger schwer beschädigt.
Lediglich 6 % der Wohnhäuser hatten keine oder nur leichte
Bombenschäden. Selbst wenn man die oft von mehreren Familien
benutzten Küchen dazurechnete, gab es nur noch etwas mehr
als halb so viele Wohnräume wie 1939 für Hannovers
Bevölkerung. Auch bei den öffentlichen Gebäuden
und Wirtschaftsbauten sah es nicht besser aus. Nur 4 von 87
Schulhäusern waren noch leidlich intakt. Es konnte damals
noch gar nicht an planvollen Wiederaufbau oder gar an Neuplanung
gedacht werden. Erst einmal mußten die Möglichkeiten
geschaffen werden, überhaupt wieder in Hannover leben
zu können. Aus den schätzungweise 6 Millionen Kubikmetern
Trümmerschutt wurden in mühsamer Handarbeit annähernd
27 Millionen dringend benötigter Mauersteine aussortiert.
In unserer hochtechnisierten Zeit ist es kaum noch vorstellbar,
daß im Januar 1946 in ganz Hannover für die Trümmerräumung
lediglich 12 Bagger, ca. 30 Lastwagen und eine Feldbahnanlage
im Einsatz waren. Es fehlten nicht nur Baumaterialien und technisches
Gerät; es standen auch zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte,
die größtenteils auch noch unterernährt waren,
zur Verfügung. Ein zusätzlicher schwerer Schlag für
die Bemühungen um einen Wiederbeginn des "normalen" Lebens
in Hannover bedeutete die Hochwasserkatastrophe von 1946. Unter
diesen Voraussetzungen wurde in Hannover in den "Drei
schweren Jahren" Ungeheueres geleistet. Es gehörte
eine unerschütterliche Zuversicht in die Zukunft dazu,
sich dieser Aufgabe zu stellen. Die Männer der ersten
Stunde hatten den Mut, aus dem Chaos wieder ein funktionierendes
Gemeinwesen bilden zu wollen. Sie hatten Enttrümmerung
und Instandsetzung der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen, öffentliche
und private Aufbautätigkeit, Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln und den notwendigsten Gebrauchsgütern
und gleichzeitig den politischen und administrativen Neubeginn
zu bewerkstelligen. "Anpacken und vollenden" nannten
sie den zweiten 1949 erschienenen Bericht. "Stadtvertretung
und Stadtverwaltung haben aber vom ersten Tage an nichts unversucht
gelassen, jede Trümmerpsychose zu über-winden. Enttrümmerung
und Wiederaufbau gehen heute nebeneinander her, und mehr und
mehr neigt sich das Schwergewicht dem Wiederaufbau zu. Hannovers
Innenstadt ist fast eine einzige Baustelle, und auch in den
Außenbezirken regen sich überall fleißige
Hände. Die Stadt ist im Begriff, ein neues Gesicht zu
bekommen; nicht schlechthin das irgendeiner Großstadt,
sondern eines, das die charakteristischen Züge der niedersächsischen
Landeshauptstadt tragen soll."
aus
: E-H 73 Hannover Archiv Ergänzungsband IV
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